„Jeder hat sein Auschwitz“, entgegnete Viktor Frankl einmal auf die Frage nach der Authentizität seiner Schüler. Er selbst schließlich sei glaubwürdig, weil er durch das Leiden hindurch gegangen sei, während seinen Schülern eine auch nur ansatzweise vergleichbare Qual erspart blieb. Wie aber kann einem Menschen mit einem 08/15-Lebensweg geglaubt werden, wenn er davon spricht, dass die letztmögliche Freiheit des Menschen stets darin besteht, sein Leiden in Würde zu schultern und „trotzdem ja zum Leben“ zu sagen?

Ich gehe davon aus, dass jeder Einzelne von uns sein Gewicht an Leiden in diesem Leben ertragen muss. Wie sich Leid, Schuld und Tod gewichten, die Franklsche tragische Trias, mag unterschiedlich sein (und m.E. ist Leid der übermächtige Schatten des Lebens als mitfühlender Mensch, quasi das noetische Verhängnis). Ich gehe jedoch davon aus, dass keinem von uns seelischer Schmerz erspart bleibt.

Auf den einen wartet der Abgrund des Liebeskummers, der andere verliert einen geliebten Menschen an den Tod, der nächste kämpft in Armt oder Arbeitslosigkeit um die Beruhigung des Schmerzes.

Und dieses eigene Leiden, das es zu ertragen gilt, ist eben nicht vergleichbar mit dem Leiden eines anderen – der einzige Referenzpunkt ist die Schmerzfreiheit (nicht das Glück!) in deiner eigenen Existenz.

 

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Jedes Leiden, gleich wie verursacht, ist mithin gleich groß, gleich schwer zu tragen, stellt einen Jeden vor die Wahl: Gib auf, zerbreche daran oder nimm es an.

Und doch ist nichts grausamer, als das Leiden des dir Nächsten bezeugen zu müssen. Wem es das Schicksal gut meint, lässt ihn selbst das Leiden schultern. Wen du liebst, willst du, musst du schmerzfrei sehen. Du gehst am fremden Leiden mehr zugrunde als am eigenen.

Ging Jesus (als Symbol für die Bereitschaft, für den zu leiden, den wir lieben) damit den einfachsten und nicht den schwersten Weg? Oder lebte er ein doppeltes Paradox: Indem er sich für die, die er liebte, opferte (der einfache Weg), musste er auch unser Leiden, das durch die Bezeugung seiner Qual entstand, aushalten (der schwerste Weg)... Muss ich nicht hoffen, wenn ich wirklich liebe, das jeder sein eigenes Leiden tragen darf, damit niemand meinen Schmerz bezeugen muss?

Was bleibt dem „homo patiens“ zu tun? Welches Verständnis des Leidens erleichtert das Aushalten?

Leiden ist ein aufgezwungenes Angebot des Lebens, es ist seine heftigste Aufforderung, ein uns entgegengeschleudertes „Lerne! Wachse! Entwickle dich! Finde deinen Sinn! Lerne wahrhaft zu lieben!“

Wenn ich jedoch dein Leiden auf mich nehme, bleibt mir nur zu hoffen, dass du mich bei weitem nicht so liebst wie ich dich.

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