„Alles lässt sich lösen, nur das Leiden an der Liebe nicht“, seufzt ein Kollege bei einer unserer Austauschrunden in sein (alkoholfreies) Bier. In unserer Balinthgruppe besprechen wir regelmäßig (und natürlich anonymisiert) „Fälle“ aus unserer Praxis, die uns besonders nahe gehen.
„Ja“, stimme ich zu, „ich sage meinen Klienten in solchen Situationen auch immer gleich, dass es zunächst kaum Trost gibt!“.

Tatsächlich erleben viele Menschen, insbesondere jene, die auch ein Entwicklungstrauma erleben mussten, Liebeskummer als besonders unaushaltbar: Wenn Bindungstraumata mit ihm Gepäck sind, werden durch ungewollte (teils auch selbst initiierte) Trennungen primäre, existentielle Gefühle getriggert. Der frisch Getrennte wird von Schmerz und Angst, Gefühle, die in ihrer Intensität frühkindlichen Ego States entsprechen, überflutet. Ratio, Logik und die Rückbesinnung auf nicht gut tuende Aspekte der früheren Beziehungen sind dann nicht zugänglich, alles scheint ohne den geliebten Menschen unerträglich. Der Partner bzw. die Partnerschaft wird idealisiert, ein Leben ohne den anderen scheint nicht zu bewältigen.
Hier erreicht in diesem Ausgeliefertsein an frühkindliche Emotionen, die lebensbedrohlich wirken, kein Zuspruch, kein Wort des Trostes den Leidenden. Das einzige, was helfen kann, ist Aushalten, ist die Co-Regulation durch ein wohlwollendes Gegenüber, das nicht vor der Intensität des Liebesleids zurückschreckt oder es ad absurdum führen will.

Die frühkindlichen Ich-Anteile, die hier aktiviert werden, benötigen das liebende Gegenüber, um sich der eigenen Existenz gewiss zu sein und das Fortbestehen abzusichern. Der Verlust des Gegenübers kommt der Auflösung meines Selbst gleich. Als Kleinkind bin ich mir meines/r selbst sicher, eben weil es ein zunächst spiegelndes, dann kontrastierendes „Du“ gibt...


Über die Jahrzehnte hinweg hat die Psychotherapie mehr und mehr ihren Fokus auf das soziale Umfeld der Patienten gerichtet. Als gutes Beispiel dient der Wandel des Verständnisses bezüglich Persönlichkeitsstörungen: Früher als Neurosen bezeichnet, dann als Persönlichkeitsstörungen, heute als Beziehungsstörungen betitelt, zeigen sich diese Beeinträchtigungen nur innerhalb des sozialen Miteinanders. Auch alle anderen psychischen Probleme werden v.a. oder gar ausschließlich innerhalb von Beziehungen deutlich. Eine meiner Wunderfragen an meine Klienten lautet mithin: „Hätten Sie dieses Problem, wenn Sie der einzige Mensch auf der Welt wären?“ Oft entspricht die Antwort einem klaren „Nein!“.

Auf der anderen Seite wüssten wir wohl kaum, dass wir Menschen sind, wenn es keinen anderen Menschen neben uns gäbe.

Brauchen wir immer, braucht alles, sein Gegen-Teil, sein Kontrastierendes, um sich seiner selbst, seiner Existenz (ganz in der Entsprechung des „Herausstehen“) bewusst zu sein? Kann etwas dem Bewusstsein in Erscheinung treten, ohne sich von etwas anderem zu unter-scheiden? Was kann allumfassend sein, ohne sich, kontrastlos, aufzulösen?

Gemeinhin korrespondiert das Attribut des Allumfassenden mit dem Verständnis unserer Götter – und doch erschuf der menschliche Geist das Konzept von Satan als Gegenteiliges zum Göttlichen. So hörte sogar Gott auf, allumfassend zu sein. Was bleibt? Was kann noch größer, kann nch ganzer sein? Ist es die Natur, die einfach Leben meint?

Können wir Liebe er-kennen, wenn wir nicht auch um Leiden wissen?

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