Nicht nur in meiner Praxis, auch privat, hinterfragen immer mehr Menschen ihre Beziehungen: Oft wird der Partner dann als Narzisst „entlarvt“ - oder manch´ einer kommt gar auf die Idee, sich selbst als Narzisst zu entdecken. Meistens war wieder irgendein Selbsthilfebuch á la „Heirate dich selbst, wenn du glücklich werden willst“ oder auch „Heilen nach einer narzisstischen Beziehung“ Auslöser für die Spurensuche.

Ich halte wenig von dieser Methode der Selbstdiagnose: Fast immer ist sie falsch.

Nicht jede Beziehung, die scheitert, geht am Narzissmus eines der Beteiligten zugrunde. Nicht jeder, der es (noch) nicht schafft, in eine stabile, überdauernde Beziehung zu finden, ist persönlichkeitsgestört.

Narzissmus ist eine tief greifende Störung, die sich schon auf der primären Wahrnehmungsebene bemerkbar macht: Ein Narzisst nimmt die Welt (und vor allem die anderen Menschen) so wahr, als ob jede Handlung, jedes Ereignis sich auf ihn bezieht. Zumeist in ein sehr instabiles Selbstbild der Hintergrund dieses Attributionsfehlers: Die narzisstische Selbstwahrnehmung kennzeichnet sich durch Selbstentwertung (umgangssprachlich: das fehlende Selbstbewusstsein) und / oder Selbstübersteigerung (die Wahrnehmung der eigenen Grandiosität).

Beides hat sich ein Narzisst allerdings nicht ausgesucht – niemand entwickelt freiwillig und intentionale eine Persönlichkeitsstörung!

Frühste Prägungen, wie unsere Bezugspersonen früher mit uns umgegangen sind, haben neben anderen Faktoren bewirkt, dass dieses Selbst- und Fremdbild entstanden ist. Ein Narzisst ist kontinuierlich von der Außenbewertung abhängig, seine Selbstakzeptanz steht und fällt mir der Bewunderung, die ihm von außen entgegengebracht wird. Er hat die Freiheit verloren (oder nie besessen), sich situationsadäquat zu verhalten.

Eben dies macht eine Persönlichkeitsstörung aus: Sie bedeutet rigides Verhalten, ein Verhaltensmuster, das eben nicht variabel und adaptierbar ist.

Ein Narzisst handelt egozentrisch aus seiner eigenen Empfindlichkeit heraus (das meint die „narzisstische Kränkung“), zeigt sich empathielos, entwertet dabei andere (nur, wenn alle anderen vor ihm knien, kann er sich groß fühlen). Das sind die vier „E“s, die als Merkhilfe der narzisstischen Verhaltensweisen dienen: Egozentrik, Empfindlichkeit, Empathielosigkeit, Entwertung der anderen.

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Hierbei gibt es unterschiedliche Ausprägungen: Je mehr Empathielosigkeit und Entwertungstendenzen zunehmen, umso „maligner“ zeigt sich die Störung i.A.

Wer sich nun in einer Beziehung befindet und feststellt, dass er / sie sich dabei immer schlechter fühlt, immer mehr an Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein verliert – dann lohnt es sich, mit einem „Experten“ darüber zu sprechen. Denn wer in einer Partnerschaft feststeckt, die aufgehört hat, gut zu tun, und sich dennoch nicht daraus lösen kann, kann durchaus vermuten, dass hier Abhängigkeiten eine Rolle spielen, die genauer beleuchtet werden sollten. Und eventuell zeigt sich dann auch, dass einer der Partner narzisstische Tendenzen hat. Ausgeprägter Narzissmus zeigt sich meist schon am Anfang (innerhalb des ersten Jahres) eines Beziehung – und da gilt nach wie vor die Empfehlung: Renne, so schnell du kannst. In die andere Richtung. Bevor du aufgehört hast, an dich zu glauben, bevor du denkst, gar nict mehr wegrennen zu können.

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